Rezension - Katatonia - Dead End Kings

04.03.2013 23:16

Nach nur 3 Jahren und dem wundervollen und oft unterschätzen NITND, breiten sich mit DEK die schwarzen Flügel wieder aus, bereit den Thron zu besetzen: Hoffen wir mal auf eine lange Herrschaft - aber wer sollte sie schon anfechten können?

Ich kann mich der Meinung meines Vorredners nur anschließen (auch wenn ich sein Shirt beneide - dafür hab ich die DVD-Version und den Bonustrack "The Act of Darkening" (?) Ja, es ist drauf - [mittlerweile habe ich auch ein Shirt, da ich in Leipzig die Tour live erleben durfte]). Die Schweden haben sich wieder einmal weiter entwickeln können, und drücken dennoch jedem Song ihren Stempel auf; und zwar so, dass Originalität und Wiedererkennungswert – der bei NITND ein bisschen vermisst wurde – zusammen eine Grundstimmung bilden, die genau das aus macht, was Katatonia ist – was das ist, werden wir wohl nie rational fassen können; dass Feuer übersetzen können …

Alles in allem erwartet uns wieder progressive Musik: Gewohnt harte und komplexe Passagen, die stark an VE erinnern, paaren sich mit himmlischer Leichtigkeit; Momenten, die man nur genießen kann und die an NITND erinnern. Neu und ungewohnt ist, dass sich im zweiten Song plötzlich eine weibliche Stimme dazu mischt: Hier ist das für den Moment wunderbar, aber Gott sei Dank auch nur hier! (Das Lied ist dennoch eines der Stärkeren, mehr hätte aber wohl dem Gesamtkonzept geschadet). Die Komposition der Songs, als auch deren Ansiedlung, erinnern stark an das Meisterwerk – natürlich gleich nach VE – TGCD. Geschickt und Raffiniert ist auch die selbstreflexive und intertextuell anspielende Komponente im Song „Undo You“. Katatonia fassen sich erst noch einmal zusammen und konstatieren erst dann, dass sie die Besten sind (in diesem Bereich?); und das zu Recht! Aner mit dem Song kann ich immer noch am wenigsten anfangen.

Das bemerkenswerte Booklet, welches sich an VE (Stadtmetaphorik), TGCD (verlassene Landschaften und Brücken) und durch das „organische“ auch irgendwie an NITND orientiert – aber auch der Vogel, der von Anfang an dabei war (z. B. BMD oder TD), und wohl irgendwie für die Existenz an sich steht (die menschliche Freiheit sich zu sich selbst Verhalten zu können), ist wieder da und domminiert dieses Mal das Geschehen; ein Aufstieg und Höhepunkt (hoffen wir, dass das Königreich der Melancholie jetzt nicht zusammenfällt, wie der Rest der Welt). Tatsächlich findet sich die Stilgebende Passge "We call on the bird long before ...", schon lange lange lange der lyrisch-poetischen Welt der Melancholiker.

Die Lyriks drehen sich wieder um Motive wie Beziehungen, Sprache und natürlich dem Scheitern; und das so schön wie nötig und schmerzhaft wie möglich. Selten waren Sie so textreich wie auf DED; auf TGCD wirken sie da (vergleichend) gerade zu abstrakt. Aber es steht ihnen gut, denn die Texte sind originell, metaphorisch, gewohnt poetisch und sehr überstrukturiert; ich sag nur: „Hear my words fall down„ oder „Breathing lifeless (…) Breath in life´s less.“

Katatonia haben ihren neunen Stil seit VE kontinuierlich weiter entwickelt. DEK ist eine Steigerung zu NITND, auch wenn es stellen Weise ein wenig zu „poppig“ klingt (NITND hat mehr Stellen, die sehr ruhig und atemberaubend sind). Und diese Steigerung ist auch keine große, da es aber überhaupt eine ist, ist diese Leistung kaum in Worte zu fassen: Vielleicht ist DEK das Beste ihrer Alben – die Herrschaft wird es zeigen. (So viel Selbstbewusstsein muss ja auch belohnt werden). Dabei haben sie ein Konzeptalbum geschaffen, bei dem eigentlich wohl kein Song für sich stehen soll, auch wenn jeder mehr individuellen Charme hat als die Songs des Vorgängers. Harte und komplexe Riffs, reihen sich an primitive Basslines, wie z.B. damals bei „The Promise of Deceite“, die jeden Metalhead aus der Reserve locken werden. Und Jonas Stimme ist dabei mal untermalend, mal verzerrend, mal Dissonanz und natürlich mal auch zusätzliches Instrument.

Die Grundstimmung die dieses Album ausstrahlt ist Stilprägend, unvergesslich, einzigartig: Es war ein langer Weg dahin, nun hoffen wir auf ein noch längere Existenz: „Trust the one that never trusted you.“

Kommen wir nun zu den Songs.

 

The Parting (7/10)

Als Opener bei Katatonia hat man es neben „Ghost oft the Sun“, „Leaders“ und „Forsaker“ nicht gerade leicht. Mir persönlich fehlt die geballte, aber atypische Wuchtigkeit, die ein Katatonia-Opener haben muss. (Mittlerweile finde ich den Song nur noch genial, und würde locker auf 9 hochgehen, aber als Opener ist er mir immer noch "ruhig") „Buildings, der wohl im Vergleich zu „Consternation“ fungieren soll, wäre da vielleicht eine bessere Wahl gewesen. Und dann auch noch Geigengedudel am Anfang? – nicht gerade sehr anders und neu. Dennoch ein besonders dunkler, sperriger und mythischer Song, mit guten Lyrics und tollem Titel, der zum Ende hin sein Tempo anhebt (sowas gabs auch noch nicht!); vielleicht muss ich ihn auch einfach noch paar Mal Hören. (Oh ja, dass habe ich!).

 

The One You Are Looking For Is Not Here (7/10)

Schon wieder ein Stilbruch! Der Titel ist auffällig lang und daher auch gleichzeitig konkret. Der Song dagegen kurz. Der ungewöhnlich poppige Song, mit einem unglaublichen Suchtpotenzial und weiblicher Stimmenzuführung, endet unerwartet und besticht daher als Inspirationsquelle: sehr ambivalentes Stück. Aber neben „Deliberation“ und „The Longest Year“ ist er einfach „not there“.

 

Hypnone (10/10)

Ja, dass ist es! Spätestens wenn der Rfrain einsetzt, weiß man: Sie sind zurück. Ein mythologischer Prachtgott: Emotionaler und schöner ist wohl kaum möglich – mehr muss man nicht sagen, außer: „The dead end King is here / Black wings upon his back.“

 

The Racing Heart (10/10)

Noch ein Treffer! Auch mein Herz gerät in Fahrt, wenn es dieses Meisterstück hört. Gewohnt ruhiger und wunderschöner Beginn, der an „Unfurl“ erinnert, welcher sich dann in einen reißenden Refrain verwandelt – begleitet von genussfreudigem, einfachen Schlagzeug zum Abschalten, und dann in einer ewig scheinenden Schleife, „A Promotion“ gleich, nicht mehr zur Ruhe kommt. Dieser Rhytmus verdeutlicht wie sich die menschliche Existenz in den Abgrund wirft - kaum möglich sowas künsterlisch auszudrücken, aber nicht für unsere Könige.

 

Buildings (10/10)

Die explosiv-metaphorische Sprengkraft des Titels ist durchaus wörtlich zu nehmen: Man muss erst was aufbauen, um es zerstören zu können. Stark, treibend und schnell (Live sicher ein Genuss).

(Oh ja, live ein volltreffer!). Dieser Song als Opener hätte das Album unsterblich gemacht!

 

Leech (8/10)

 

Ungewohnt, aber interessant. Der Song mit dem etwas skurrilen Titel, hebt sich stark von den anderen ab und ist wohl dazu gedacht, um vom „Buildings“-Trip wieder runter zu kommen. Besonder aber sollte man auf die Lyrics achten. Eher ruhigere Töne, die besondere Abwechslung rein bringen – vor allem die verschiedenen Klange der Stimme, genau wie die Variationen des Tempos. Sehr sperrig, aber trotzdem leider auch nicht so überzeugend (auch wenn die kleinen Solis einiges rausreißen). Aber dennoch spannendes Finale.

(Mittlerweile würde ich auf 9 hochgehen ; ))

 

Ambitions (10/10)

Vielleicht mein heimlicher Favorit. Depressiv bis zum geht nicht mehr und trotzdem voller Dynamik, Abwechslung und Schönheit; der bereits zitierte Text markiert einen der Höhepunkte des Albums. (Die Wiederholung am Ende erinnert auch sehr stark an NITND). Der Refrain ist mitreißend, eingängig und, zusammen mit dem typisch-katatonischen Riff, repräsentativ für den neuen Weg, den Katatonia gegangen ist.

Kick the life!

(Joa, ich bleib dabei!).

 

Undo You (6/10)

Der Tiefpunkt des Albums – aus meiner Sicht, auch wenn der Titel sehr vielversprechend erscheint. Der Refrain ist einfach zu poppig, das Lied plätschert etwas dahin. Auch das bereits zitierte Wortspielt kann nicht viel retten. An der Einfallslosigkeit liegt es jedenfalls nicht; genau wie an der tollen meta-ebne.

 

Lethean (9/10)

Ein Song, der brennt: Grandios und treibend: Wer wird nicht mit Grölen wollen: „How far can your voice reach (…)“. (Auch sehr gelungen die Farbesymbolik). Allerdings auch ein bisschen zu eingängig. Livepotential!

(Das gerade erst erschienende Video dazu, ist allerdings eher peinlich).

 

First Prayer (10/10)

Der vielleicht, aber sicherlich beste Song des Albums, leitet auch gleichzeitig zum bereits bekannten „Dead Letters“, also dem Ende, über. Doch vorher wird noch mal alles herausgeholt, was da ist und was darüber hinaus noch einmal destilliert, was dieses ALBUM ist: „Rise with my every breath.“ Er endet grandios mit einem brachial gelungenen und überaus einfachen Bass, der sich dann in ein Riff verwandelt, dass uns noch alle lange verfolgen wird. Dazu gewohnt verstörende Hintergrund Geräusche; und wenn dann das Finale einsetzt: Gänsehaut pur!

(Vielleicht ein Geschenk an die treuen Fans oder die, der ersten Stunde).

 

„Take these Words to go with you.“

 

Dead Letters (9/10)

Stabiler und bereits bekannter Abgang, der noch einmal die ganze Palette bietet, und uns noch einmal deutlich macht, warum dieses Album ist, wie es ist und wieso es überhaupt da ist: Grandios. Unglaublich gelungenes Finale im Finale!

 

The Act of Darkening (6/10)

Hätte man sich auch sparen können. Auch wenn bei Katatonia die Bonustracks eigentlich immer besonders gut sind, hier ist es eher nicht so. Zusammen mit dem Bild im Booklet, der eindeutige Assoziationen andeutet und dem gelungenen Text, kann ich diese „Geschichte“ als nur sehr sarkastisch lesen, was ja auch gut ist. Gewagt, aber es passt nichts zusammen. Fast fröhlich wirkt dieser Song, der auch noch von merkwürdig-bekannten Trommelgeräuschen begleitet wirkt. Also ich weiß ja nicht. Vielleicht ein stimmungsvolles Anti-Märchen voller böser Ironie?

Doch auch dieses Werk musste ich bereits künstlerisch Verarbeiten: