Metaphysik der Medien, Teil II

20.05.2013 22:58

2. Einleitung

2.1  Ziele der Arbeit

 

„Der Schauer lebt von der Übermacht der Technik als ganzer - und

des Kapitals, das hinter ihr steht - über jedes einzelne Ding. Das ist die Transzendenz in der Massenkultur.“[1]

 

Schon lange widme ich mich dem Verhalten. Denn der Mensch ist unter anderem das Wesen, das sich zu sich selbst verhalten, zu sich selbst ins Verhältnis setzen kann. Diese Erkenntnis verdanken wir dem Dänen Kierkegaard, den man gar nicht oft genug zitieren kann.[2] In erster Linie ein geistiger Prozess, doch unser Verhalten ist oft mental verursacht. Warum dies so ist, der Mensch zwischen Rationalem und Irrationalem pendelt, darüber kann man nur spekulieren oder sich schweigend machen. Letzteres wäre sinnvoller. Nahe liegt, dass sich natürlich unsere Ratio so, aus dieser Grundkonstitution, entwickelte. Schließlich war dies ein begünstigender Faktor in der menschlichen Evolution, gleich nach der Entdeckung der Sesshaftigkeit. Doch was viel bemerkenswerter ist, ist, dass wir uns durch unser Verhalten beeinflussen können – doch noch bemerkenswerter ist die Kehre dessen.

Aus der Sicht der zeitgenössischen Medienphilosophie, unter Berücksichtigung zeitgenössischer Medientheorien, möchte die Arbeit, über Heideggers Konzept vom Menschen und seiner Philosophie (also Kulturkritik) – vor allem mit Hinblick auf die τέχνη und ἐποχή  – untersuchen und aufzeigen wie der Mensch von Medien beeinflusst wird. Wie äußert sich die Wirkung, vor allem die der Massenmedien auf uns und wie sind Begriffe wie „Massenkultur“ oder „Massenphänomen“ und das Verhalten der Konsumgesellschaft zu bewerten, im Hinblick auf den (sich selbst als authentisch verstehenden) Menschen als modernem Schwellenwesen zwischen eigener, existenzieller und sozialer Welt, der Welt des anderen, dem „Man“ - auch im Austausch über den (direkteren) „Umweg“ über mediale, visuelle Welten, Computerprogramme, Plattformen, und sowie Fluchtwelten? Dabei wird sich vor allem herauskristallisieren, wie sich das menschliche Bewusstsein eines jeden manipulieren lässt und manipuliert wird. Wie instrumentalisieren Medien uns, d. h. die, die Medien ver-an-lassen, erwecken Bedürfnisse in uns, emotionalisieren und leiten uns so auch unbewusst an, wenn man denn an der These festhalten will, dass das menschliche Bewusstsein eine Einrichtung ist, ein „instrumentum“, wie Heidegger in seinem Vortrag Die Frage nach der Technik[3] sagt?

M. E. ist dies eine faktische Gegebenheit, die einer phänomenologischen Beobachtung benötigt und einer anschließenden Kritik. So wird sich ohnehin auch zeigen, dass die Phänomenologie eine große Rolle in dieser Debatte noch spielen wird und daher auch in meiner Arbeit zum Tragen kommen soll.

Dabei sollen vorrangig Texte zur Technik herangezogen werden, als auch Texte zur zeitgenössischen Medienphilosophie, einem noch sehr jungen, aber dennoch wichtigen (und immer wichtiger werdenden), Teil der Philosophie. Auf einen speziellen Autor möchte ich mich dabei nicht beziehen, was bei dem Angebot an Perspektivenreichtum schwer sein würde. Auch wenn der Zusammenhang zwischen Technikphilosophie und Medien nicht sofort vor Augen liegt, so wird dem in neuester Forschung immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was ich sehr befürworte und was man an Autoren wie Krämer[4] und Kittler[5] sieht. Aber auch Autoren wie Nietzsche, Sprengler, Blumenberg, Fromm,  Adorno und vor allem Heidegger, sollen miteinbezogen werden. Da schließlich über die Kulturwissenschaft, als auch Kulturphilosophie bzw. Kulturkritik – was Krämer auch radikal einfordert[6] - am Rande, argumentiert werden wird, sollen auch künstlerische Beispiele aus aktuellen Lyriks jeweils rahmend am Rande mit eingebracht werden.

Philosophie ist keine empirische Wissenschaft, sondern eine spekulative – dessen bin ich mir bestens bewusst. Doch sie darf zeitgenössische Erkenntnis nicht einfach aus ihrem Elfenbeinturm heraus ignorieren. Daher wird es unumgänglich sein, faktische und konkrete Beispiele mit in die Argumentation einzubringen. Besonders bei besonders medialen Produkten wie Face Book, WOW und alternative Medien, wird die Benennung und Erläuterung unerlässlich sein, um aufzuzeigen, wie solche „Dinge“ strukturiert sind.

 

Nur so wird sich verstehen lassen, wie sie uns beeinflussen können – welche Macht von ihnen ausgeht. Auch die großen Kunstphilosophen, erklärten für sie als „gut“ erachtete Kunst an konkreten Kunstwerken – vor allem Hegel und Baumgarten, die ja Vertreter einer Inhaltsästhetik waren. Genauso verhält es sich in aktuellen Debatten der Neurowissenschaften und der Bewusstseinsphilosophie sowie der (m. E. unbegreiflichen) Nötigung durch die Naturwissenschaften oder der Willensfreiheitsdebatte sowie der Rechtsphilosophie: Auch hier werden faktische Beispiele verwendet. Dennoch wollen wir das Ganze nicht aus den Augen verlieren, philosophisch bleiben, das Sein bzw. besser gesagt das Bewusstsein untersuchen: Was macht der, in moderne Medien hineingeworfene, Mensch also mit der Technik, warum verwendet er sie und wieso durchdringt sie mittlerweile alle Bereiche unseren Lebens (bis hin zur Wissenschaft und Kunst)?

„Werkzeuge, Maschinen und Systeme erfüllen nicht allein technische Funktionen, sondern eröffnen neue Horizonte für Raum- und Zeiterfahrungen sowie für die Welt- und Selbsterkenntnis der Menschen.“[7]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1]Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung - Philosophische Fragmente, Frankfurt a. Main, Anhang. Das Schema der Massenkultur, Kulturindustrie (Fortsetzung): https://offene-uni.de/archiv/textz/textz_phil/dialektik_aufklaerung.pdf, S. 109, (Stand: 05.05.2013 [16 Uhr 57].

[2]Vgl., Søren Aabye Kierkegaard, Der Begriff der Angst, DTV, S. 490.

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[3]Martin Heidegger, Die Technik und die Kehre, S. 6.                                                          

[4]Z. B. Sybille Krämer, Technik, Gesellschaft und Natur, Frankfurt a. Main, Campus-Verlag, 1982.

[5]Z. B. Friedrich Kittler, Zwischen Rauschen und Offenbarung. Zur Kultur- und Mediengeschichte der Stimme (Hg.), Akademie, Berlin, 2002.

[6]Reinhard Margreiter, Medienphilosophie: Eine Einführung, Parerga Verlag, Berlin, 2007, S. 214.

7

[7] Johannes Robeck, Technikphilosophie im 19. und frühen 20. Jahrhundert, S. 2: https://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophische_fakultaet/fak/zit/lehre/ws0708/texte_ring/Technikphilosophie%20im%2019.%20und%20fruehen%2020.%20Jahrhundert.pdf

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